Digitalisierung in der Bauwirtschaft: Unkoordiniert, ziellos, ineffizient?

Digitalisierung in der Bauwirtschaft: Unkoordiniert, ziellos, ineffizient?

Die Digitalisierung in der Bauwirtschaft schreitet unaufhaltsam voran – allerdings nicht ohne Herausforderungen. Ich sprach mit Dipl.-Ing. Karina Breitwieser, einer führenden Expertin im Bereich Digitalisierung und kollaboratives Management in der Baubranche, über die aktuellen Entwicklungen, Hindernisse und Zukunftsperspektiven dieses transformativen Prozesses.

Zur Person: Expertise auf höchstem Niveau

Karina Breitwieser vereint akademische Expertise mit umfassender Praxiserfahrung. Als Forscherin an der Technischen Universität Wien am Institut für Baubetrieb & Bauwirtschaft konzentriert sie sich auf digitale Bauprozesse, Kollaboration und Construction Automation. Ihre Forschungskooperationen mit namhaften Unternehmen wie Wienerberger und der ASFINAG unterstreichen die Praxisrelevanz ihrer Arbeit.

Mit einem Diplom in Bauingenieurwesen von der TU Wien und über 30 Jahren Erfahrung bei internationalen Unternehmen in der Bauindustrie und im Anlagenbau bringt sie ein profundes Verständnis für die Branche mit. Besonders hervorzuheben ist ihre 18-jährige Führungserfahrung bei Waagner-Biro Stahlbau, wo sie unter anderem als stellvertretende COO und Leiterin des Projektmanagements tätig war.

Seit 2019 berät Breitwieser durch ihre Unternehmung 42Consulting Organisationen im Bereich Prozessmanagement, Digitalisierung und kollaborative Projektabwicklung. Zudem ist sie Geschäftsführerin der BBD Bau Betrieb Digital Unternehmensberatung GmbH.

Welche konkreten Hürden bremsen die Digitalisierung in der Bauwirtschaft?

Karina Breitwieser: „Da würde ich sagen, die Digitalisierung, die wird nicht gebremst. Die fährt ungebremst hoch, nur sehr unkoordiniert. Und ich glaube, das ist das Thema. Wir digitalisieren wie wild, aber wir digitalisieren nicht zielgerichtet. Und ich glaube, dass die wesentliche Hürde einfach ist, dass die Leute eben diese Kollaboration, dieses Zusammenarbeiten nicht wirklich in der Digitalisierung umsetzen.

Denn das bedeutet, ich brauch gerade Prozesse, die zusammenwirken. Ich brauch eine durchgehende Datenkette, ich brauch eine gut vernetzte IT-Landschaft, wo die Schnittstellen gut funktionieren und ich brauch den Willen zusammenzuarbeiten. Digitalisierung per se ist sinnlos, sondern die Idee einer Digitalisierung ist, dass ich einen Beitrag zum großen Ganzen leiste und möglichst digital, dass der nächste nicht wieder die Daten von vorne eingeben muss."

Wie verhält es sich mit dem Verhältnis zwischen lokaler Autonomie und zentraler Steuerung?

Karina Breitwieser: „Wenn ich alles durchgehend digitalisiere, die Schnittstellen und diese ganze Datenkette zur Verfügung habe, kann ich gut zentral steuern. Ich nicht bewerten, ob das gut oder schlecht ist. Aber in der Baubranche könnte das durchaus was sehr positives sein. Aber bei aller zentralen Steuerung darf man nie vergessen, dass im Kleinen, im Lokalen, in der Kleingruppe oder den Menschen unglaublich viel kreatives Potenzial steckt, das man einfach nutzen soll für ‘Best for Projekt’ – und ‘Best of Projekt’ steht einfach im Zentrum."

Aktuelle Entwicklungen in der Digitalisierung der Baubranche

Die Baubranche befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Die Digitalisierung wird zunehmend als strategische Notwendigkeit erkannt, um Effizienz zu steigern, Kosten zu senken und die Qualität zu verbessern. Dennoch steht die Branche vor signifikanten Herausforderungen bei der Umsetzung digitaler Strategien.

Wie Breitwieser treffend bemerkt, ist das grundlegende Problem nicht die mangelnde Digitalisierung an sich, sondern vielmehr deren unkoordinierte Implementierung. Die fragmentierte Struktur der Baubranche mit ihren zahlreichen Stakeholdern erschwert die nahtlose Integration digitaler Technologien. Verschiedene Akteure nutzen unterschiedliche Systeme, was zu Datensilos und Kommunikationsbarrieren führt.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Die größte Herausforderung besteht darin, einen kollaborativen Ansatz für die Digitalisierung zu entwickeln. Dies erfordert:

  1. Durchgängige Prozesse: Digitale Workflows müssen über Unternehmensgrenzen hinweg funktionieren

  2. Lückenlose Datenketten: Information muss ohne Verlust oder Redundanz weitergegeben werden

  3. Integrierte IT-Landschaften: Verschiedene Systeme müssen über standardisierte Schnittstellen kommunizieren

  4. Kollaborationskultur: Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit muss aktiv gefördert werden

Zukunftsperspektiven und Ausblick

Die Balance zwischen zentraler Steuerung und lokaler Autonomie wird entscheidend für den Erfolg der Digitalisierung in der Baubranche sein. Zentrale Plattformen und Standards ermöglichen Effizienz und Transparenz, während lokale Flexibilität und Kreativität für Innovation und Problemlösung unerlässlich bleiben.

In ihrer Forschung an der TU Wien und durch ihre Beratungstätigkeit bei 42Consulting arbeitet Karina Breitwieser an genau dieser Schnittstelle. Ihre Arbeit zeigt: Die erfolgreiche Digitalisierung der Baubranche ist weniger eine technologische als vielmehr eine organisatorische und kulturelle Herausforderung.

Für die Zukunft der Branche bedeutet dies, dass Unternehmen nicht nur in Technologie investieren, sondern auch ihre Organisationsstrukturen und Unternehmenskultur entsprechend anpassen müssen. Nur so kann das volle Potenzial der Digitalisierung ausgeschöpft werden – zum Nutzen aller Beteiligten und letztendlich für bessere, nachhaltigere und kosteneffizientere Bauprojekte.

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