Die EU-Omnibusverordnung: Kurswechsel oder notwendige Atempause für die Immobilienbranche?
„Ich glaube, Kehrtwende ist es keine. Es ist nur eine Verlangsamung. So unter dem Motto: Stop the Clock." Mit diesen klaren Worten fasst Birgit Kraml, Partnerin und Head of Real Estate bei DLA Piper in Österreich, die aktuelle Entwicklung rund um die EU-Omnibusverordnung zusammen. Im Rahmen eines exklusiven Interviews erläutert die renommierte Immobilienrechtsexpertin die Auswirkungen dieser Verordnung auf die Immobilienbranche und bewertet deren Bedeutung für die nachhaltige Transformation des Sektors.
Hintergrund: Was ist die Omnibusverordnung?
Die EU-Kommission veröffentlichte am 26. Februar 2025 das erste Omnibus-Paket als Teil einer Vereinfachungsinitiative für Nachhaltigkeitsregeln. Ein zentrales Element dieses Pakets ist die sogenannte „Stop-the-Clock"-Richtlinie, die am 16. April 2025 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde und von den Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 2025 in nationales Recht umgesetzt werden muss.
Die Richtlinie sieht vor allem folgende Änderungen vor:
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Verzögerung der Anwendung der CSRD-Anforderungen (Corporate Sustainability Reporting Directive) für Großunternehmen, die noch nicht mit der Berichterstattung begonnen haben, sowie für börsennotierte KMUs um zwei Jahre
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Verschiebung der Umsetzungsfrist und der ersten Anwendungsphase der CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) um ein Jahr
Für die betroffenen Unternehmen bedeutet dies konkret:
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„Zweite Welle"-Unternehmen, die ursprünglich 2026 (für das Geschäftsjahr 2025) berichten sollten, müssen nun erst 2028 (für das Geschäftsjahr 2027) Bericht erstatten
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„Dritte Welle"-Unternehmen verschieben ihre Berichterstattung von 2027 auf 2029
Auswirkungen auf die Immobilienbranche: Mehr Zeit, keine Kehrtwende
Im Interview betont Birgit Kraml, dass diese Verzögerung keineswegs das Ende des European Green Deal bedeutet: „Ich glaube nicht, dass es ein Stop Green Deal ist. Im Gegenteil, es ist nur ein Zeichen, dass Europa versucht, hier Nachhaltigkeit, aber auch Wettbewerbsfähigkeit unter einen Hut zu bekommen."
Die Expertin sieht in den Änderungen vielmehr eine Reaktion auf die realen Herausforderungen der Wirtschaft: „Ein Ankommen in der Realität, in der Wirtschaftsrealität." Viele Unternehmen haben bereits erhebliche Ressourcen investiert, um den Berichtspflichten nachzukommen. Die Verzögerung gibt ihnen nun mehr Zeit, sich gründlicher vorzubereiten.
Für die Immobilienbranche im Speziellen sieht Kraml sogar Chancen: „Gerade in der Immobilienwirtschaft – ich glaube, kein Neubau wird jetzt nicht Taxonomie-konform oder nachhaltig errichtet." Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Finanzierungsbedingungen und Wiederverkaufswert. „Wenn man die Immobilie weiterverkaufen möchte – wer ist daran interessiert? Die großen Institutionellen wollen nachhaltige Gebäude."
Bestandsimmobilien als Gewinner?
Kraml sieht Vorteile für Bestandsimmobilien durch die neuen Regelungen. Sie glaubt, dass es nur Gewinner gäbe, wenn es einfacher wird, bestehende Gebäude nachhaltig zu gestalten und zu finanzieren. Sie fordert einen umfassenderen Ansatz für Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche, der auch Denkmalschutz und alte Gebäude berücksichtigt. Dabei sollte nicht nur auf Energieeffizienz und Klima geachtet werden, sondern auch auf Kreislaufwirtschaft. Kraml betont, dass eine wirklich nachhaltige Immobilie eine ist, die lange Zeit genutzt wird und nicht nach wenigen Jahrzehnten abgerissen wird."
Österreichische Umsetzung: Noch Fragezeichen
Auf die Frage nach der Umsetzung in Österreich weist Kraml auf eine Besonderheit hin: „In Österreich haben wir ja noch nicht einmal die Umsetzung der ursprünglichen CSRD -Richtlinie." Es bleibt abzuwarten, wie Österreich die Omnibus-Verordnung umsetzen wird.
Die Expertin betont zudem, dass Berichterstattung allein nicht ausreicht: „Die Klimaziele erreichen wir nicht unbedingt aufgrund der Berichterstattung, sondern aufgrund anderer Maßnahmen. Die Berichterstattung ist nur ein Tool, ein Kit, das zu messen und zu sehen, wo stehen wir? Aber die Klimaziele erreichen wir nicht durch Zettel ausfüllen."
Über Birgit Kraml
Birgit Kraml ist seit Oktober 2024 Partnerin und Head of Real Estate bei DLA Piper in Österreich. Nach 23 Jahren bei Wolf Theiss nahm sie die Herausforderung an, die Real Estate Abteilung der international tätigen Kanzlei DLA Piper – der drittgrößten Kanzlei der Welt mit Präsenz in über 40 Ländern – in Österreich aufzubauen.
In ihrer neuen Position bei DLA Piper hat Kraml das Ziel, der Immobilienrechtspraxis mehr Gewicht zu verleihen und sie als eigenständige Einheit zu etablieren. Erst kürzlich, im Juni 2025, verstärkte sie ihr Team mit der Immobilienrechtsexpertin Magdalena Krasser als Senior Associate.
Kraml gilt als ausgewiesene Expertin im Immobilienrecht mit besonderem Fokus auf Nachhaltigkeitsthemen und regulatorische Anforderungen. Ihre Einschätzungen zur EU-Omnibusverordnung spiegeln ihre umfassende Expertise und ihre praxisnahe Perspektive wider.
Hinweis: Das Interview mit Birgit Kraml wurde im Juli 2025 geführt. Die darin enthaltenen Aussagen und Einschätzungen spiegeln den Stand zu diesem Zeitpunkt wider.